Januar 2021 - Dr. Ovie Emmanuel Eruteya, Prof. Dr. Andrea Moscariello
Die geologische Sequestrierung von Kohlendioxid (CO2) gilt als wirksame Massnahme zur Bekämpfung des anthropologisch bedingten Klimawandels und des Anstiegs der atmosphärischen Temperatur. Wie kann die Schweiz bei diesen langfristigen Bemühungen eine Rolle spielen? Wie gross ist das tatsächliche Potenzial des Schweizer Untergrundes, CO2 dauerhaft zu speichern oder dieses Gas für die Stromproduktion einzusetzen? Die Gruppe Geo-Energie, Lagerstättengeologie & Beckenanalyse der Universität Genf arbeitet zu diesem Thema innerhalb des SCCER-SoE im Rahmen des von der Europäischen Kommission finanzierten Projekts ELEGANCY.
Die Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCS), auch als Sequestrierung bekannt, ist heute eine weit verbreitete Praxis und ein gängiger Weg zur Reduzierung der atmosphärischen Kohlendioxidkonzentration (CO2) mit Auswirkungen auf den Klimawandel und die globale Erwärmung. Die erfolgreiche Sequestrierung von CO2 in tiefen Formationen (so genannten Senken) 800 Meter oder tiefer unter der Erdoberfläche bietet eine dauerhafte Speicherlösung für anthropogenes CO2, das von grossen industriellen Quellen (z. B. Zementfabriken, Müllverbrennungsanlagen oder Kohlekraftwerken) ausgestossen wird (siehe Abbildung 1). Die CO2-Sequestrierung ist für die Gewährleistung der ökologischen Nachhaltigkeit durch die Verringerung der Treibhausgasemissionen von entscheidender Bedeutung. Potenzielle unterirdische Speicherziele für die CO2-Sequestrierung umfassen erschöpfte Kohlenwasserstoff-Reservoirs, Aquifere (saline Formationen), nicht abbaubare Kohleflöze, organisch reiche Schiefer und basaltische Formationen.
In der Schweiz muss trotz des vielversprechenden theoretischen Speicherpotenzials von 2670 Millionen Tonnen CO2 für das Schweizer Molassebecken (Chevalier et al., 2010) die Möglichkeit einer geeigneten grossräumigen unterirdischen Speicherung von CO2 noch genau abgeschätzt werden. Eine grosse Herausforderung ist ein genaues regionales Screening, das zur Identifizierung von Standorten führt, die sich für eine CO2-Speicherung im Pilot- oder kommerziellen Massstab in der Schweiz eignen. Insbesondere die Knappheit oder der Mangel an verfügbaren oder verlässlichen geologischen Daten erschweren diese Herausforderung noch mehr. Eine weitere Herausforderung stellt die vertikale und laterale geologische Komplexität und Heterogenität des Untergrundes dar. Trotz dieser Herausforderungen werden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Rahmen des Projekts ELEGANCY ein Standortscreening durchführen, um potenzielle Gebiete zu identifizieren, die sich für eine unterirdische CO2-Speicherung in der Schweiz eignen.
Ziel dieser Studie ist es, Standort-Kandidaten in der Schweiz zu identifizieren, welche die notwendigen Voraussetzungen für eine sichere Injektion und langfristige Einlagerungssicherheit von CO2 gemäss den weltweit anerkannten Best Practices (z. B. Aarnes et al., 2019; NETL, 2017) erfüllen.
Dabei geht es um die Quantifizierung der wichtigen Eigenschaften, die für CO2-Injektions- und Speicherstätten notwendig sind. Sobald die Quantifizierungen abgeschlossen sind, werden die Forschenden den CO2-Plume (eine Art Wolke) in der angestrebten Speicherformation modellieren und das Risiko und die damit verbundenen Unsicherheiten abschätzen. Zu diesem Zweck werden sie die vorhandenen unterirdischen geologischen Daten analysieren. Genauer gesagt werden sie mit regionalen 2D-seismischen Daten nach unterirdischen Strukturen suchen. Darüber hinaus werden sie einen grossen Satz nicht-geologischer und kultureller Daten untersuchen (d. h. die Nähe zu CO2-Punktquellen wie Verbrennungsanlagen und Zementfabriken, verfügbare CO2-Mengen, Nutzungskonflikte im Untergrund usw.).
Die Forschenden schlugen einen Screening-Workflow vor, der den unterirdischen geologischen Rahmen der Schweiz, die unterirdische Nutzung im Hinblick auf bestehende, laufende und zukünftige Geoenergie- und Atommülldeponieprojekte, das unterirdische Vorhandensein von Flüssigkeiten und den vorgesehenen regulatorischen Rahmen berücksichtigt. Der von ihnen in dieser Studie entwickelte Arbeitsablauf (siehe Abbildung 2) soll als Richtlinie dienen und wäre für jede vielversprechende geologische CO2-Lagerstätte in der Schweiz ideal anwendbar.
Zu den potenziellen Standorten, die derzeit in der Schweiz untersucht werden, gehören mehrere Standorte, an denen die Untergrundgeologie dank der Existenz alter Tiefbohrungen, die zuvor für die Kohlenwasserstoffexploration gebohrt wurden, bekannt ist (siehe Abbildung 2). Diese früheren Kohlenwasserstofffunde im Schweizer Untergrund könnten ein interessanter Hinweis auf geeignete unterirdische Eigenschaften wie Lagerstättenvorkommen und Transmissivität sein. Es müssen jedoch noch weitere Untersuchungen durchgeführt werden, um die Konnektivität, die Speicherkapazität und die mit der CO2-Injektion verbundenen Risiken (d. h. die induzierte Seismizität) genau abzuschätzen.
Im Allgemeinen sind Regionen mit erschöpften Erdgasvorkommen potenzielle Standorte und für CCS geeignet, basierend auf der Verfügbarkeit von Speicherkapazität, nachgewiesenem Deckgestein/Sperre, soliden Kenntnissen über das Speicherreservoir und der bestehenden Oberflächeninfrastruktur. Darüber hinaus sind Reservoirs in einer Tiefe von unter 3000 Metern unter der Erde mit geothermischen Temperaturen von über 100° Celsius verbunden. Dies könnte die Möglichkeit bieten, Elektrizität mit Hilfe von CO2-Plume-Geothermal (CPG)-Systemen zu erzeugen, bei denen das in das Reservoir injizierte CO2 dann an der Oberfläche zum Betrieb der Turbine und zur Stromerzeugung genutzt wird (Randolph und Saar, 2011, siehe Abbildung 2).
Die Studien zur Standortsuche und -auswahl werden derzeit im Rahmen des ELEGANCY-Projekts durchgeführt, um geologische Strukturen zu identifizieren, die in der Lage sind, CO2 als Pilot- oder CCS-Betrieb im kommerziellen Massstab einzufangen. Der endgültige Arbeitsablauf wird robuste konzeptuelle geologische Modelle für die identifizierten Standorte umfassen, die zur Erstellung statischer 3D-Geozellenmodelle führen werden. Die Forschenden werden dann die identifizierten Aquifer- oder Reservoir-Intervalle mit relevanten Porositäts- und Durchlässigkeitswerten modellieren. Angesichts des breiten Spektrums an Unsicherheiten im Untergrund und der Variabilität der Reservoirparameter werden sie probabilistische volumetrische Bewertungen der Speicherkapazität auf der Grundlage von Volumina durchführen. Letztendlich werden die Forschenden die statischen 3D-Modelle als Input für die dynamische Simulation verwenden, um den Verbleib des CO2-Plumes zu verstehen und als Grundlage für geomechanische Modifikationen zur Vorhersage der induzierten Seismizität in Verbindung mit Injektivitätstests.
Aarnes, J.E., et al., 2009. Energy Procedia, 1(1), pp.1735-1742.
Chevalier, G., et al., 2010. Swiss Journal of Geosciences. 103(3), pp. 427–455.
NETL, 2017. https://www.netl.doe.gov/sites/default/files/2018-10/BPM-SiteScreening.pdf.
Randolph, J.B. and Saar, M.O., 2011. Combining geothermal energy capture with geologic carbon dioxide sequestration. Geophysical Research Letters, 38(10).