Erdbeben und Geothermie: Lehren aus Pohang

Erdbeben und Geothermie: Lehren aus Pohang

Mai 2019 - von Michèle Marti und Domenico Giardini

Im November 2017 erschütterte ein Beben der Magnitude 5.5 die südkoreanische Stadt Pohang. Die Bilanz: über 100 Verletzte und Schäden in der Höhe von 300 Millionen Dollar. Bereits kurze Zeit später wurde vermutet, dass ein Geothermieprojekt in der Nähe das Beben ausgelöst haben könnte. Zwei wissenschaftliche Untersuchungen bekräftigten diesen Verdacht. Infolge dessen setzte die koreanische Regierung eine internationale Expertenkommission ein, in der unter anderen Domenico Giardini, Professor an der ETH Zürich und Leiter des SCCER-SoE, mitwirkte. In ihrem kürzlich veröffentlichen Abschlussbericht bestätigt die Kommission das Geothermieprojekt als Verursacher des schadenbringenden Bebens.

Die Expertenkommission untersuchte dafür die tektonischen Spannungsverhältnisse, die lokale Geologie, die induzierte Seismizität, die Bohrdaten sowie jene der hydraulischen Stimulationen. Das Projekt in Pohang sah vor, in 4 bis 5 Kilometern Tiefe im kristallinen Grundgestein einen Wärmetauscher zu erzeugen. Ein solches petrothermales Geothermieprojekt wurde 2006 auch in Basel angestrebt. Dazu wird unter hohem Druck Flüssigkeit in den Untergrund gepumpt, was erwartungsgemäss zahlreiche kleinere Beben auslöst. In Pohang haben diese Injektionen, unbemerkt von den Betreibern, immer wieder Erdbeben auf einer vorher unbekannten grösseren Verwerfungszone angeregt. Die anscheinend tektonisch vorgespannte Verwerfung wurde dadurch geschwächt bis es zum Magnitude-5.5-Erdbeben kam. Während der kausale Zusammenhang nun gesichert ist, stellt sich die Expertenkommission die Frage, welche Lehren aus diesem Ereignis zu ziehen sind.

Die Expertenkommission stellt dem Projekt kein gutes Zeugnis aus: Rückblickend wurden Versäumnisse in allen Phasen des Projekts festgestellt. Vor Beginn der Arbeiten zeigten die geologischen Untersuchungen, dass gewisse Brüche kritisch vorgespannt waren. Dieser Umstand hätte aufgrund der Nähe zu einer mittelgrossen Stadt samt wichtigem Industriehafen zu einer Anpassung der Risikoeinschätzung führen sollen. Anschliessend begannen die ersten Stimulationen beim Bohrloch PX-2. Die geologischen Berichte halten fest, dass grosse Mengen der hineingepumpten Flüssigkeit versickerten. Dies ist unüblich und deutet darauf hin, dass das Bohrloch eine grösser Störzone durchläuft – ein weiteres Alarmzeichen. Das Austreten der Flüssigkeit vergrösserte lokal den Druck auf der Verwerfungszone und verursachte schon frühzeitig zahlreiche kleinere Erdbeben. Diese erhöhte induzierte Seismizität wurde jedoch erst im Anschluss an das Magnitude-5.5-Beben analysiert.

Die Kommission geht auch auf die zwei Monate ein, welche zwischen den letzten Stimulationsarbeiten und dem schadenbringenden Beben liegen. Sie wurden immer wieder als Hinweis gedeutet, dass kein Zusammenhang zwischen dem Projekt und dem Beben besteht. Der Bericht verweist jedoch auf Erkenntnisse aus anderen Projekten. Sie belegen, dass induzierte Seismizität oft nicht mit dem Ende der Stimulationen endet. Für künftige Projekte empfiehlt die Kommission im Vorfeld unter Einbezug der Behörden und aller relevanten Experten eine umfassende Risikoanalyse zu erarbeiten und diese laufend zu aktualisieren. Zudem gilt es ein verlässliches Echtzeit-Überwachungssystem einzurichten, stetig die Prozesse und die Injektionsstrategie zu prüfen und gegebenenfalls zu korrigieren sowie Massnahmen zur Risikoreduktion festzuschreiben und zu kommunizieren.

Das SCCER-SoE trägt mit seinen Forschungsarbeiten in vielfältiger Weise dazu bei, Verfahren und Techniken zu prüfen, die es ermöglichen, Erdwärme sicher, effizient und langfristig zu nutzen.

Autoren

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Michèle Marti ist die Verantwortliche für die Medien- und Öffentlichkeitsarbeit des Schweizerischen Erdbebendienstes sowie nationaler und internationaler Forschungsprojekte.

Prof. Dr. Domenico Giardini ist Leiter des Schweizer Komptenzzentrums für Energieforschung – Strombereitstellung (SCCER-SoE) und Professor in Seismologie und Geodynamik am Institut für Geophysik der ETH Zürich.

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