August 2019 - von Rebecca Lordan-Perret, Adriana Marcucci und Gianfranco Guidati
Niemand kann die zukünftige Entwicklung des Schweizer Energiesystems genau vorhersagen. Aber wir können Modelle und Szenarien nutzen, um Strategien vorzuschlagen, damit wir die Ziele der Energiestrategie 2050 erreichen.
In JASM vereinigen wir ein Team von Modellierern um zu untersuchen, wie Entwicklungen in der Schweizer Wirtschafts-, Sozial-, Politik- und Technologielandschaft das Energiesystem beeinflussen. Das heisst: wie und wie viel Energie wir produzieren, transportieren und konsumieren werden.
Wir beschreiben diese Entwicklungen mit Hilfe aller verfügbaren Modelle und Daten der acht Energieforschungs-Kompetenzzentren (SCCER), die detaillierte Aspekte des Schweizer Energiesystems erfassen und deren Interaktionen beschreiben: Technologien zur Stromerzeugung, Gebäude, Mobilität, Industrie, Stromnetz, Biomasse, Speicherung und der Energiemarkt (siehe Abbildung 1). Diese Modelle geben Aufschluss darüber, wie die von uns gewählten Strategien und die Entwicklungen im Rest der Welt unsere Zukunft gestalten können.
Unsere Ausgangslage sind verschiedene Szenarien, die unterschiedliche Wege zu künftigen Energiesystemen beschreiben. Wir haben diese Szenarien entworfen, um eine grosse Bandbreite an Zukunftsvarianten abzudecken. Die Szenarien sind abhängig von zahlreichen Variablen und Strategien sowie den verfügbaren Technologien, der Energienachfrage, den Marktsubventionen und Unterstützungsmechanismen sowie den Marktpreisen, zum Beispiel für Kraftstoffe.
Die Szenarien sind in der Lage sowohl institutionelle als auch marktbezogene Einflüsse zu erfassen. Anhand der Annahmen in diesen Szenarien optimiert jedes Modellierungsteam seinen Aspekt des Energiesystems. Das Team, welches das Stromnetz modelliert, optimiert zum Beispiel die Nutzung von Stromerzeugungstechnologien (z. B. Wasserkraftwerke und erneuerbare Energien) und nutzt dazu ein hypothetisches Wetter- und Nachfrageprofil. Das Team, welches den Energiebedarf modelliert, bewertet beispielsweise wie viel Strom ein Haushalt benötigt und berücksichtigt dabei die Gerätepreise und das vorhergesagte Nutzungsmuster.
Natürlich ergänzen sich die Resultate der Modelle. Sie sind miteinander verknüpft und dienen dazu, die mit verschiedenen Modellen erzielten Ergebnisse zu überprüfen. Es sind genau diese Komplementaritäten und Rückmeldungen, die unsere Ergebnisse robuster im Vergleich zu solchen, die nur mit einem Modell erzielt werden.
Durch die individuelle und gemeinsame Nutzung dieser Modelle versuchen wir die Rolle von verschiedenen Nachfragetechnologien (z. B. verschieden Automodelle oder die Verwendung von Wärmepumpen anstelle von Ölheizungen in Haushalten) und Stromversorgungsoptionen zu verstehen (z. B. eine Mischung aus erneuerbaren Technologien und Importen im Vergleich zu nuklearer Energie).
Wir werden wichtige Fragen beantworten können, wie zum Beispiel:
Im spezifischen Kontext des SCCER-SoE heben wir die Rolle von Wasserkraft und Geoenergien im zukünftigen Energiemix hervor.
Um diese Fragen zu beantworten, arbeiten wir uns vom Branchenmodell zum Gesamtenergiesystemmodell vor. Die Branchenmodelle liefern alle Annahmen in Bezug auf die Angebotsseite (Technologieeigenschaften, Wasserkraft- und Photovoltaikpotentiale usw.) und die Nachfrageseite (Raumheizung, Energiebedarf der Industrie usw.). Diese Annahmen speisen wir dann in eine Reihe von Gesamtenergiesystem-Modellen ein, welche die Zukunft des Energiesystems simulieren.
Bei der Modellierung geht es nicht um eine Vorhersage der Zukunft. Die Modellierung ist auch nicht gedacht, um genaue Zahlen zu ermitteln, auf die sich die Politik stützen kann. Wir modellieren, um Trends, Grössenordnungen, Treiber, Verbindungen, Rückkoppelungen und Optionen zu verstehen. Wir modellieren das Schweizer Energiesystem um zu visualisieren, welchen Einfluss unsere Entscheidungen sowie deren Auswirkungen und Kosten auf die Reduzierung unserer CO2-Emissionen und die Umsetzung der Energiestrategie 2050 haben. Daher sind unsere Ergebnisse ein äusserst wertvolles Werkzeug, um unser zukünftiges Energiesystem so zu steuern, dass es mit unseren sozialen, wirtschaftlichen und politischen Zielen in Einklang steht.
Rebecca Lordan-Perret ist PostDoc am Lehrstuhl für Energieökonomie an der Universität Basel, wo sie innerhalb des SCCER-CREST und dem JASM arbeitet.